Ein dialoggeführter Geburtsbericht – aus Elternsicht

Geburt Geburtsbericht - Frau während der Geburt

Die Geburt meines zweiten Kindes: Der erste Geburtstag unserer „Babys“ ist noch nicht so lange her. Da kamen so manche Erinnerungen hoch. Ein Jahr ist die Maus schon bei uns. Dabei kam es mir vor, als wäre ich erst gestern im Krankenhaus gewesen und so ließen wir diese in einen Geburtsbericht einfließen.

Michael war vor Ort, als Begleiter, als Stütze, als Hilfe. In rund 90 Prozent der Fälle haben Frauen ihre Partner (bzw. die Väter) im Kreißsaal dabei. Vor 40 Jahren wäre das noch nicht so gewesen. Denn erst in den 70er Jahren begannen sich die Kreißsäle auch für Väter zu öffnen.

Vorher waren sie den Schwangeren, Ärzten und Hebammen vorbehalten. Ich kann mir kaum vorstellen – umgeben von fremden Menschen und unter großen Schmerzen – mein Kind zu gebären. Wie stark müssen diese Frauen gewesen sein …

Die Idee eines Kreißsaals selbst ist übrigens auch noch gar nicht so alt. Erst vor knapp 250 Jahren wurden diese eingeführt, zuvor gab es die typischen Hausgeburten (die aktuell aber auch wieder im Kommen sind). Doch jetzt zu unserem Geburtsbericht.

Ein Geburtsbericht – als Dialog zwischen Vater und Mutter

Mit meinem Mann habe ich ihren besonderen Tag nochmal Revue passieren lassen und unser Gespräch in eine Art Geburtsbericht niedergeschrieben.

Yasmin: Erinnerst du dich noch an den Tag? Ich hatte den Haushalt gemacht und plötzlich dieses regelmäßige Ziehen bemerkt. Auf Facebook habe ich dir geschrieben, dass ich wohl Wehen habe, aber die Abstände noch zu groß sind.

Michael: Ohja! Nach deiner Nachricht saß ich wie auf heißen Kohlen. An Arbeiten war gar nicht mehr zu denken. Und nachdem und meintest, die Abstände werden nun kürzer habe ich es aufgegeben produktiv zu sein. Ich habe meinem Chef Bescheid gegeben und mich direkt auf den Heimweg gemacht und…

Yasmin: … mich in der Badewanne vorgefunden. Die Wehen kamen da schon rund alle 5 Minuten. Trotzdem wollte ich nicht überstürzt aufbrechen und erst noch ein Wurstbrot essen. Ich war echt gechillt.

Immerhin wollten wir Claire auch noch aus der Kita abholen. Sie musste zu Freunden, um später von der Oma abgeholt werden zu können.

Angst vor dem Platzen der Fruchtblase

In der Kita habe ich Wehen auf der Kindercouch veratmet. Ich glaube sie hatten ein bisschen Angst, dass meine Fruchtblase vor den Kindern platzt.

Michael: Zum Glück ist das nicht passiert, obwohl Claire sich mal wieder ewig Zeit gelassen hat.

Yasmin: Naja, ganz so dramatisch sollte es ja gar nicht werden. Eigentlich war ich auf der Fahrt ins Krankenhaus noch richtig guter Dinge und hab die Wehen locker weggeatmet.

Michael: Wäre da nicht die Hebamme gewesen. Oh man, ich hatte ihr den Kopf abreißen können, als sie meinte du hast gar keine Wehen und dich wegschicken wollte. Du lagst da und hast sichtbar Schmerzen veratmet.

Oarr, weil das olle CTG absolut nichts aufgezeichnet hat… Wie schon damals bei Claire. Zum Glück kam bald darauf schon die Ärztin und hat dich ernst genommen. Nachdem der Zugang lag und alles ausgefüllt war, ging es mir schon etwas besser.

Yasmin: Im Gegensatz zu mir, da die Wehen durch unseren Spaziergang immer heftiger wurden. Uff. Mein Muttermund hat auf Hochtouren gearbeitet.

Michael: Japp. Darum sind wir a auch eher um das Krankenhaus herumgeschlichen, weil du quasi alle drei Schritte stehen bleiben musstet…

Zum Glück warst du unter der Geburt bei mir

Yasmin: Zum Glück warst du mit dabei und konntest mich stützen, als mich die Welle überkommen hat.

Michael: Mehr konnte ich ja leider nicht tun.

Yasmin: Ach was, du hast mir damit so sehr geholfen! Zumal die Hebamme ja immer noch keine Wehen auf dem CTG gesehen hatte und mir nicht ganz glauben wollte, dass da welche sind. Es tat gut, dass du zu mir gehalten und mir geglaubt hast. Das war in der Situation einfach völlig richtig und wichtig.

Michael: Zum Glück hat sich der Muttermund nach unserer zweiten Runde entsprechend geweitet. Aber die neue super nette Hebamme schien ohnehin entspannter und hat nicht gezweifelt.

Yasmin: Ach, das war mir aber auch egal. Wichtig war nur, dass du nicht gezweifelt hast und mich voll supported hast. Vor allem als ich in die Badewanne sollte und  es nicht einmal mehr geschafft habe mich ordentlich umzuziehen.

Ich lag da auch bestimmt wie ein gestrandeter Blauwal drin. Aber es tat so gut, dass du die ganze Zeit dabei warst und mir den Handrücken gestreichelt hast. Du hast mich echt gut aufgebaut und von den Schmerzen ablenken können.

Ich habe mich so hilflos gefühlt

Michael: Es fühlte sich allerdings ganz anders an. Zum Glück schienst du entspannter. Du hast  nicht so sehr gelitten. Richtig schlimm gelitten. Ich habe mich da blöd gefühlt. Richtig hilflos, vor allem als du eigentlich auf die Toilette wolltest und dann plötzlich geblutet hast. Da wurde ich auch verdammt nevös.

Yasmin: Ohje, der Auftakt zu den Presswehen. Plötzlich dachte ich, ich müsse ganz ganz dringend pinkeln, aber es kam und kam nichts. Stattdessen wurden die Schmerzen immer heftiger.

Mit jeder neuen Welle tat es mehr weh. So als würden Rasierklingen an meiner Vagina entlangstreifen und sie Stück für Stück aufschneiden. Brrrr, ein schlimmer Gedanke.

Michael: Das hat man dir auch im Gesicht angesehen. Wir [Anmerkung: Hebamme und Michael] wollten dir gern dabei helfen, aber Anfassen war in der Wehe ja völlig tabu.

Yasmin: Wie du der Hebamme zum Glück klargemacht hast, als sie mein Becken umfasst hat. In dem Moment hätte ich sie fast getreten, weil es so unangenehm war. Zum Glück hast du das sofort bemerkt und sie intuitiv weggeschickt. Mit Worten konnte ich mich einfach gar nicht mehr ausdrücken. Total Crazy.

Geburtsbericht … und dann habe ich den „Einlauf“ meines Lebens von dir bekommen.

Michael: Ach, ein ziemlich rüdes „Fass mich nicht an du Arschloch!“ hast du dennoch über die Lippen gebracht, als ich dich ganz leicht aus Versehen am Daumen gestreift habe. Kurz vorher sagtest du noch, „Fass mich jetzt nicht an“. Ich bin extra weggegangen und hab dich dann doch ganz dezent berührt – und dann den Einlauf meines Lebens von dir gekriegt.

Yasmin: Darüber muss ich heute noch lachen. Ich erinnere mich nicht einmal das gesagt zu haben. Aber daran, wie belustigt du mir das erzählt hast. Zum Glück können wir heute darüber lachen.

Meine vergebliche Vorgabe zum Geburtsbericht: Was im Kreißsaal passiert, bleibt im Kreißsaal! Wobei mir in den letzten Minuten nicht so sehr zum Lachen zu Mute war. Ich klang sicher wie ein großer Bergorilla, als die letzten Presswehen kamen.

Michael: Du warst jedenfalls lauter, als ich dich bisher je gehört habe. Und das will was heißen mit deiner Piepsstimme. Ich hatte mich ja dann vor dich gestellt, als du im Vierfüßler warst. Und dann bei der Atmung geholfen.

Yasmin: Stimmt. Du hast mich immer wieder daran erinnert, wie ich atmen muss und es vorgemacht. Sonst hätte ich manchmal wohl auch vergessen zu atmen.

Michael: Stimmt. Und ich habe dich auch brav gefüttert. Mit BiFi und RedBull.

Weißt du noch wie es dir während der Geburt ging?

Yasmin: Wie ging es dir dabei? Weißt du das noch?

Michael: Ich war nervös, ich hab mir die ganze Zeit Sorgen gemacht, weil du Schmerzen hattest. Aber ich wusste, dass du in guten Händen bist. Die Hebamme war ja die ganze Zeit bei dir und hat sich sehr gut gekümmert.

Yasmin: Ja, ich war auch überrascht, dass sie mich quasi die ganze Zeit begleitet hast. Wir hatten echt Glück, dass keine weitere Geburt gelaufen ist. Der Endspurt war allerdings auch recht zügig. Maximal eine Stunde lag ich in den Presswehen und dann war sie da.

Michael: Das kam total überraschend. Also, nicht, dass Marie dann herauskam. Die hat sich ja angekündigt. Aber du hattest stundenlang gelitten. Man hat dir das total angesehen und als du Marie dann bei der Geburt aufgefangen hattest, war da nichts mehr.

Keine Schmerzen in deinem Gesicht. Auf einmal hast du den Eindruck gemacht, als ob nichts gewesen ist. Wirklich gar nichts. Das war für mich auch beeindruckend, denn es war der absolut glücklichste Moment den ich jemals bei dir gesehen habe. Du hast sie auch direkt in den Arm genommen und an dich gedrückt.

Yasmin: Wie war das denn für dich, als du sie gesehen hast?

Ich war so glücklich nach der Geburt

Michael: Ich war auch glücklich! Ich wollte dir das Baby aber in dem Moment auch nicht „wegnehmen“. Das hätte ich wahrscheinlich nicht überlebt. Du hattest die letzten Stunden geackert, da hast du die erste Zeit mit Marie auch verdient.

Als ich sie das erste Mal im Arm hatte, war ich überrascht wie winzig sie ist. So unglaublich winzig. Unbeholfen. Ein kleiner Fleischklumpen der einfach noch nichts kann. Voll süß! Die Äuglein noch geschlossen. Sie war schon echt süß.

Yasmin: Wie würdest du eine Geburt allgemein beschreiben jetzt im Nachhinein?

Michael: Eklig?! Auf jeden Fall nichts Schönes. Ich sehe, dass du leidest und Schmerzen hast. Das ist scheiße. Aber der Moment der nach der Geburt kommt, der ist wunderschön.

Yasmin: Das verstehe ich. Trotzdem war es für mich irgendwie eine Geburt wie aus dem Lehrbuch. Und sehr viel schöner als die erste. Sie war so selbstbestimmt. Ich habe meinem Körper und meinem Gefühl vertrauen können. Ganz anders, als bei Claire…

Michael: Die sich übrigens total gefreut hat, endlich das Baby zu sehen. Und mittlerweile lieben sich die beiden ja abgöttisch.

Yasmin: Ja, allerdings. Es war eine gute Entscheidung den Höllentrip hinter uns zu lassen und es drauf ankommen zu lassen.

… und dann könnte ich dich auch gut im Krankenhaus lassen

Michael: Das ist richtig. Darum konnte ich dich auch entspannt im Krankenhaus lassen. Weil ich wusste es ist jetzt vorbei, du leidest nicht mehr, du bist glücklich…

Yasmin: Ich hatte die Zeit auch ehrlich gesagt genossen. Drei Tage für mich und Marie allein, ehe sie die Aufmerksamkeit mit ihrer Schwestern teilen musste. Das war für uns beide sehr wichtig und schön. So würde ich es jederzeit wieder machen. Alles. Und hiermit mit endet unser gemeinsamer Geburtsbericht.

Eure Yasmin und Mann (Babytalk-Autorin)

Beitragsfoto: Gorodenkoff / shutterstock

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Yasmin Neese
Die Rabenmutti soll Mut machen und soll eine Anlaufstelle für diejenigen sein, die sich einsam und unverstanden fühlen. Ich möchte euch sagen: You´re not alone. Ich bin für euch da und ich kämpfe für jeden einzelnen von euch, wenn euch Unrecht geschieht.