Bericht einer Hausgeburt

Hausgeburt - Neugeborenes liegt auf dem Bauch der Mutter

In Anbetracht der immer weniger vorhandenen Hebammen wird eine Hausgeburt leider für immer weniger Eltern eine Option sein, deshalb ist es uns ganz besonders wichtig, Euch diese wunderbare Erfahrung lesen zu lassen!

Denn nur, wenn wir Eltern in Zukunft weiterhin unsere Hebammen unterstützen, können wir erreichen, dass dieser Job nicht ausstirbt.

DANKE Kerstin (Blog: fraumama.de) für diese wunderschöne Aufzeichnung!


05.03.2015 – 20:00 Uhr:

alle Kinder sind im Bett, ich merke hier und da einen hart werdenden Bauch, genau wie die letzten Wochen auch schon. A., meine Hebamme hat mir schon mehrere Mittelchen gegeben, die das Baby vielleicht aus seiner Höhle locken könnten, aber es zeigt sich durchgehend unbeeindruckt von meinen Bemühungen.

Ich bin bereits 8 Tage über den Entbindungstermin, A. darf mich höchstens bis zum 10. Tag begleiten. Für den nächsten morgen habe ich einen Termin beim Frauenarzt.

A. möchte, dass er noch einen Ultraschall macht, um zu sehen, dass es dem Baby noch gut geht. Mir ist das recht, langsam werde ich ja selbst nervös. Bis jetzt hatte ich eine Klinikgeburt immer verdrängt.

Stefan unterbricht meine Gedanken: „wir sollten uns langsam mal unterhalten, was wir machen, wenn das Baby noch länger auf sich warten lässt. Wo gehen wir dann hin?“

Also schaue ich mir online Bilder von den Krankenhäusern und deren Kreißsälen in der Umgebung an. Es gibt insgesamt 4, die in Frage kommen würden. Ne, denke ich mir wütend – ich will da nicht hin!

Ich will da nicht die sterilen Gänge auf und ab tigern und mich mit den Krankenhaus-Routinen rumärgern. Ich bin empört. Ich WILL da nicht hin!

Ich gehe in mein Gebärzimmer, schaue sehnsüchtig auf den Pool, der seit Tagen aufgeblasen da steht und seufze tief.

21:00 Uhr:

Zu dem hart werden kommt ein leichtes ziehen hinzu, fühlt sich relativ regelmäßig an. Ich denke mir: na? Willst du mich mal wieder veralbern? Und schaue nebenbei auf die Uhr: Alle 5 Minuten, ziemlich genau.

22:00 Uhr:

Ich sage Stefan, dass ich mal in die Wanne gehe, wahrscheinlich ist der Spuk dann eh wieder vorbei, aber dann ist wenigstens Ruhe.

22:30 Uhr:

In der Wanne kommen die Wellen weiterhin, werden nicht stärker, aber auch nicht schwächer. Na gut, mal sehen, was draus wird.

23:00 Uhr:

Ich gehe wieder aus der Wanne raus und merke schon, wie mir ziemlich viel „Badewasser“ die Beine runterläuft. Sicher Urin, denke ich mir, meine Blase fühlt sich die letzten Tage ständig voll an.

Ich gehe auf die Toilette, entleere meine Blase, es tröpfelt noch immer leicht aus meiner Scheide.

Ich fasse in mich hinein – nein das riecht nicht süßlich, riecht nach nichts. Vielleicht doch Badewasser? Ich mache schon wieder viel Lärm um nichts denke ich mir.

Ziehe meine Schlafanzughose hoch, beim Bücken kommt nun doch einiges aus mir heraus. Das kann nun doch nicht mehr vom Baden sein – mein Herz macht einen Hüpfer – darauf hab ich soooo sehnsüchtig gewartet!

Ich rufe A. an, sie kommt und freut sich!

23:30 Uhr:

A. bestätigt, dass es FW ist. Da ich noch keine starken Wehen habe, schicke ich sie wieder nach Hause. Ich möchte nicht beobachtet werden. Sie geht.

Dann rufe ich meine Mutter und meine Schwester an, sie haben 1 Stunde Anfahrtsweg. Sie kommen. Meine Mama soll sich während der Geburt um die 4 Kinder kümmern, meine Schwester soll Fotos machen und filmen.

06.03.2015: 00:30 Uhr:

Meine Mama und E. kommen, freuen sich. Die Wehen sind minimal stärker, aber ich spüre: das dauert noch.

Wir sitzen im Wohnzimmer und quatschen, nach und nach werden alle müde, die Augen werden schwerer. Da ich merke, dass es diese Nacht nichts mit dem Entbinden wird, beschließe ich, die Kinder doch am nächsten morgen in Schule und KiGa zu schicken.

Ich möchte nicht auch noch 4 ungeduldige Kinder herumsausen haben. Außerdem haben wir kaum geschlafen und können alle etwas Ruhe gebrauchen.

Die Wehen kommen weiterhin unregelmäßig stark, mal recht leicht, dann wieder eine stärkere – was wird das werden, denke ich mir.

08:00 Uhr:

A. kommt, hört die Herztöne ab, alles ok da drinnen. Ich schicke sie wieder. Sie hat viele Termine und ich spüre: ich brauche sie noch nicht.

Sie vergewissert sich mehrmals, ob sie wirklich fahren soll, spricht mit mir ihre Termine in der Umgebung durch und möchte gegen Mittag wieder mit mir telefonieren.

Es tut sich nicht besonders viel, ich döse vor mich hin, hab keine Lust auf Bewegung, will einfach meine Ruhe.
Die ganze Zeit über habe ich Schleimabgang.

Na wenigstens zeigt mir das, dass ich tatsächlich in der Geburt stecke, denke ich mir.

14:00 Uhr:

A. kommt erneut, sie wirkt etwas besorgt, wir sprechen es beide nicht aus, aber ich weiß, dass sie sich Gedanken um den Zeitfaktor macht, denn nach Blasensprung darf sie mich nur 24 Stunden betreuen.

Ich schicke sie wieder weg, die Herztöne sind gut, dem Baby geht es gut, das ist das Wichtigste.

20:00 Uhr:

die Kinder sind im Bett, den ganzen Tag bin ich durchs Haus getingelt, hab hier und da Wehen veratmet und nun sind sie so gut wie weg. Nichts lässt auf eine baldige Geburt schließen, mir kommen die abstoßenden Bilder der Kreißsäle in den Sinn.

Ich gehe da nicht hin! Basta! Dann bleib ich lieber alleine ohne Hebamme daheim. Ich bin leicht verzweifelt und irgendwie trotzdem innerlich ruhig. Etwas sagt mir: es wird schon alles gut.

21:00 Uhr:

A. kommt. Sie möchte mir einen Einlauf machen. Ich willige ein – alles, Hauptsache daheim.

Sie verabschiedet sich – gegen 22.30 Uhr will sie wieder anrufen, sollte ich mich nicht vorher melden. Ich gehe auf die Toilette, fühle mich gut, dann kann ich mich später wenigstens hemmungslos gehen lassen, denke ich mir.

Ich schicke Stefan ins Bett, er soll schlafen. Hat sich den ganzen Tag um alles gekümmert und ist todmüde, das sehe ich ihm an.

21:30 Uhr:

Puh, wo kam das denn jetzt her? Ich hänge gebückt über der Küchentheke und schnaufe richtig fest. Schon die zweite so starke Wehe innerhalb von 5 Minuten.

Und gleich wieder eine. In meinem Unterleib hallt der Schmerz noch nach. Ich will Wärme! Schnell lasse ich in der Pause Wasser in den Pool laufen. Hoffentlich dauert es nicht so lange.

Und wieder eine! Ich drücke E., meiner Schwester mein Handy in die Hand und sag ihr, sie soll die Abstände messen.

Meine Mutter meint aus dem Hintergrund: „jetzt geht aber was weiter, oder?“ Ich antworte etwas genervt: „sieht danach aus, oder?“

22:00 Uhr:

Der Pool ist voll, ich kann es kaum erwarten endlich Wärme um mich rum zu haben. Ziehe mich aus und steige schnell rein. Die Wehen kommen alle 2 Minuten und sind so schmerzhaft dass ich bereits richtig tief atme, stöhne, töne.

Ich weise E. an, Stefan zu wecken. Stefan kommt, total verpennt, kann gar nicht glauben was hier los ist, eben war doch alles ruhig. Ich sage ihm, er soll A. anrufen und dann den Ofen anmachen. Mir ist kalt trotz des warmen Wassers.

22:30 Uhr:

A. kommt. Sie tastet nach dem Muttermund 4-5 cm – schöne Scheiße denke ich mir, das kann ja noch heiter werden, wenn das noch lange so weiter geht.

Ich bin nicht mehr in der Lage zu sprechen, Stefan streichelt mir den Kopf, ich bin bei mir, bei den Wehen, versuche, so gut wie es geht, mit ihnen mitzugehen.

23:00 Uhr:

Ich spüre, wie das Köpfchen tiefer kommt, fühle in meine Scheide, spüre etwas festes weiches. Komm Baby, komm raus, ich fange dich auf, ich hab dir das so oft versprochen in den letzten Wochen.

A. lässt mich ganz in Ruhe. Ich bin so froh, bin daheim in meinem Wohnzimmer und kann endlich mein Baby auffangen.
Der Kopf kommt, ich spüre es. Ich lehne mich kniend an den Rand des Pools.

Eine Hand halte ich gegen meine Scheide, dehne vorsichtig nach allen Seiten, möchte etwas Platz schaffen. Das Köpfchen kommt, ich halte vorsichtig dagegen und drücke mit meinem Atem leicht mit. Es brennt und drückt.

Ich weiß: nur noch ein bisschen und wir haben es geschafft. Ich merke, wie die Panik in mir aufsteigt, kann mich aber gut beruhigen. Ich spüre gar keine Wehen mehr, konzentriere mich auf nichts, lass es einfach kommen.

Der Kopf ist geboren, ich bin so glücklich! A. meldet sich hinter mir: „wenn das Köpfen kommt, dann geh einfach mit. „Häh? Ich erwidere: „der Kopf ist schon da…“.

…Verwunderung. Meine Mutter kommt näher.

Ich wechsle die Position, setze mich wieder in Rückenlage. A. möchte an mich hingreifen, aber ich sage ihr, dass ich es selbst auffangen will. Und das tue ich. Ich drücke noch einmal nach und fange mein Baby auf.

23.16 Uhr:

Geschafft, ich hab’s ganz alleine geschafft!

Die Nabelschnur ist etwas kurz, ich bekomme das Baby gerade bis zum Bauchnabel. Ich versuche ihm zwischen die Beine zu sehen.

Es ist ein Mädchen, so wie ich es mir gedacht habe. Meine 5. Tochter, Matilda Anna, ist da! Um mich herum kullern die Tränen, ich kann’s noch gar nicht begreifen!

Da die Nabelschnur so kurz ist, und bereis auspulsiert, nabeln Stefan und A. sie noch im Pool ab. Jetzt können wir kuscheln. Matilda schreit kräftig, es geht ihr gut. Sie fängt sofort an zu saugen.

Die Plazenta kommt ein paar Minuten später nach. Gegen 24 Uhr steigen wir aus dem Pool, mir ist kalt geworden, und ich möchte nicht, dass Matilda friert.

Wir ziehen um aufs Sofa, ich habe nur einen kleinen Riss an der Klitoris, wir entscheiden nicht zu nähen. A. erledigt den Papierkram, während wir staunen und kuscheln. Meine Mama und E. verabschieden sich bald, wollen uns unsere Ruhe lassen.

Die Kinder hab ich letztlich nicht dazu geholt, weil ich mich in dem Moment nicht dabei wohl gefühlt hätte. Am nächsten Morgen wachen sie aber schon früh durch Matilda’s Weckrufe auf und kommen alle zum Begrüßen in unser Bett.

Ich sehe mich um – 5 Töchter und den besten Mann der Welt – das ist das pure Glück!

Eure Kerstin (Babytalk – Autorin)

Foto: Tomsickova Tatyana / shutterstock
Kerstin
Frau Mama ist leidenschaftlich gerne Mutter von 6 Kindern und schreibt nicht nur für sich und ihre eigenen Leser, sondern auch regelmäßig Artikel für andere Webseiten, u. a. zu den Themen Kinder- sitze, Kindersicherheit und Erziehung.